Unbestritten spielt die LehrerInnengewerkschaft eine bedeutsame und starke Rolle im Schulwesen. Dabei betonen zwar alle Fraktionen ihre Unabhängigkeit, von ihren Positionen und Verflechtungen her ist jedoch eine parteipolitische Tendenz erkennbar, bei den einen mehr, bei den anderen weniger. Dementsprechend spielen sie auch bei dem einen oder anderen schulpolitischen Thema den verlängerten Arm der politischen Parteien. Und sie sind ihrer Klientel, ihren WählerInnen verpflichtet, sodass sich der Status quo des derzeitigen Schulwesens einerseits aus der Ideologie der stimmenstärksten Partei und Gewerkschaftsfraktion in Österreich mehr oder weniger ergibt. Da sind große Änderungen, Neuerungen wie z.B. Notenverzicht in der Volksschule oder die gemeinsame Schule nicht zu erwarten.
Da die Gewerkschaftsarbeit sich vor allem, verständlicherweise naturgemäß und in ihrem Selbstverständnis, an der Wählerschaft (LehrerInnen) orientiert, ist sie auch nicht systemisch angelegt. Weder innerhalb der unterschiedlichen Strömungen der Lehrerschaft noch innerhalb des Systems Schule (LehrerInnen, Eltern, SchülerInnen, Direktorinnen und Direktoren), da ja alle diese Beteiligten ihre eigene Lobby haben.
Dies verstellt leider auch häufig den großen Blick auf das Gesamte. So zum Beispiel geschehen in den Jahren 2008/09 und 2012/13, als die Regierung aus Kostengründen auf die Idee kam, die Lehrverpflichtung der AHS- und BHS-LehrerInnen auf 22 („abgewehrt“ – eigentlich teuer erkauft – mit dem Sparpaket 2009) und dann aller Lehrer*innen auf 22+2 Stunden zu erhöhen (ohne Sozialpartnereinigung im Nationalrat als neues Dienstrecht beschlossen). Den Schülerinnen und Schülern war das eher egal, ebenso den Eltern und der Öffentlichkeit sowieso (da man ja ohnehin davon ausgeht, dass die Lehrerschaft zu wenig arbeite). Um die Situation zu retten, handelte die Gewerkschaft einen Kuhhandel aus: Man ließ die „Altlehrerinnen und Altlehrer“ aus und beglückte die künftigen „Junglehrerinnen und Junglehrer“ damit. Als Zuckerl und Argumentationshilfe wählte man die Gehaltskurve, die für die Junglehrerinnen und Junglehrer nun steiler beginnt und später flacher wird. Heißt: Manche JunglehrerInnen verdienen nun am Anfang mehr, am Ende steigen die Löhne nicht so stark an wie bei den „Altlehrerinnen und Altlehrern“, insgesamt jedoch verringert sich (wenn man die Arbeitszeit berücksichtigt) bei fast allen die Lebensverdienstsumme, bei L1 im Vergleich mit pd um einen 6-stelligen Eurobetrag. Ein wahrliches Meisterstück der Bildungssparmeister!
Aber: Da auch durch die Abschaffung des Unterrichtspraktikums von Anfang an wesentlich mehr Stunden gehalten werden müssen und Aufgaben wie Klassenvorstehung oder Kustodiat verpflichtend dazukommen, ist es systemisch gesehen klar eine Verschlechterung der Arbeitssituation und des Einkommens der Junglehrerinnen und Junglehrer, der Qualität der Begleitung der einzelnen Schülerinnen und Schüler und damit auch der Erwartung der Eltern, was eine Schule leisten soll.
Diese Liste könnte man durchaus weiterführen, z.B. beim Weitergelten aller Verschlechterungen des 2009er-Sparpakets trotz nun wesentlich höherer Unterrichts- und Betreuungsverpflichtung.
Fazit: Es führt kein Weg an der stimmenstärksten LehrerInnengewerkschaft vorbei. Sie ist ein verlängerter Arm der Regierung. Entweder als Unterstützer, ist die ÖVP an der Macht, oder als Opposition, ist die SPÖ an der Macht, sie ist mehr oder weniger ihren Mitgliedern verpflichtet, hat also selten einen systemischen Blick auf das Ganze und verhindert, wenn man sich die letzten Jahrzehnte ansieht, ein zukunftsorientiertes Schulsystem.
Ob das noch lange so gehen wird, werden wir sehen. Die Situation in der Kirche, aber auch in der Weltpolitik unter Corona zeigt ja deutlich auf, dass das Festhalten an überholten Ideen und Strukturen, sowie die fehlende Zusammenarbeit nicht zukunftsorientiert sind und uns mehr schaden als nützen.
Markus Astner