Ein Insider/Eine Insiderin BerichteT

Unlängst habe ich ein recht interessantes Gespräch mit einem Insider/einer Insiderin geführt, der/die 5 Jahre lang in einer Schule in Innsbruck gearbeitet hat, nicht mehr in diesem System involviert ist und daher, vermute ich, befreiter darüber sprechen kann.

Da es seine/ihre subjektive Wahrnehmung ist und jene Schule betrifft, in der er/sie war, können natürlich keine großartigen Schlüsse auf die allgemeine Schulsituation in Innsbruck gezogen werden, aber es stimmt auch so nachdenklich, nicht bezogen auf die Schule, sondern in Bezug auf unser System.

Ich habe es für ihn/sie zusammengefasst:


  *   Diese Schule hat einen hohen Anteil an Schülern und Schülerinnen muslimischen Hintergrunds und einen hohen Anteil an Kindern, die aus belasteten Familien (Armut, Gewalt…) stammen.
  *   Sehr viele LehrerInnen sind desillusioniert, haben aufgegeben, gehen in der Früh ins Gebäude, um ihren Broterwerb nachzugehen, und machen sich dann, so schnell wie möglich, nach Unterrichtsschluss auf den Weg nach Hause…
  *   Die Schule ist mehr eine Aufbewahrungsstätte für die Kinder als ein Ort des Lernens. Ein Unterricht im üblichen Sinn ist nicht möglich.
  *   Die Eltern sind äußerst unkritisch gegenüber dem, was dort geschieht. Dass sich Eltern an die Schule in schulischen, sozialen… Belange wenden, kommt kaum vor. Es fehlt also an der Kontrolle von außen und auch an einer sinnvollen Zusammenarbeit mit der Elternschaft.

 *   Die LehrerInnen sind damit beschäftigt, die Kinder im Zaum zu halten, viele LehrerInnen machen sich kaum Gedanken über die Zukunft dieser Kinder und deren Ausbildung.
  *   Vereinzelte Versuche von engagierten Lehrern und Lehrerinnen gehen unter, werden als energieraubend wahrgenommen. Da die Chancen der Kinder auf ein besseres Leben ohnehin nicht sehr groß sind, wäre das Zeitverschwendung.
  *   Der Umgang mit den Kindern ist recht roh, autoritär…, das kennen sie aus ihren Familien, das verstehen die Kinder, das ist die Sprache, die viele von ihnen von Zuhause gewohnt sind. Es herrscht kein respektvoller noch achtsamer Umgang miteinander. Immer wieder wird von LehrerInnenseite weggeschaut.
  *   An einer Entwicklung der Schule haben nur die wenigsten LehrerInnen Interesse, da sie das Gefühl haben, dass es ohnehin nichts nutze, sie fühlen sich allein gelassen und selbst als VerliererInnen dieses Systems.
  *   Die Vorstellung herrscht vor, dass die SchülerInnen ohnehin kaum Perspektiven für danach haben und wahrscheinlich sich nicht aus ihrer Herkunft befreien können bzw. am Arbeitsmarkt einer Niedriglohnarbeit nachgehen werden. Dies führt auch dazu, dass keine Anstrengungen unternommen werden, sie schulisch so auszubilden, dass ihnen Werkzeuge mitgegeben werden, um sich aus dieser Situation befreien zu können.

  *   Nach außen hin wird ein etwas anderes Bild der Schule gezeichnet, um überlebensfähig zu bleiben. Das gezeichnete Bild stimmt jedoch nicht mit der Realität überein. Da auch Arbeitsplätze für LehrerInnen damit einhergehen, ist die Schule daran interessiert, dass niemand ein objektiveres Bild erfährt, vielleicht erfolgt auch daher kein Aufschrei der Lehrerschaft.
  *   Die Idee, die Schule durch Schwerpunktsetzungen zu stärken, scheitert, da diejenigen, die man dringend bräuchte, sich nicht für diese Schule entscheiden. Kein Elternteil, der sein Kind gut aufgehoben, gefördert… wissen möchte, entscheidet sich freiwillig bzw. unfreiwillig für diese Schule. Teils auch deswegen, (leider), weil man nichts mit dem „Pöbel“ und Menschen mit „muslimischen“ Hintergrund… zu tun haben möchte bzw. weil man (verständlicherweise!?) „kein reiches, weißes, behütetes Kind gerne alleine in die Bronx schickt“.


PS: Betont werden sollte, dass weder die Lehrerschaft noch der Direktor/die Direktorin und die Eltern, die Schuld daran haben, dass es so ist, wie es ist, wenn es so ist. Wir haben in Österreich dieses System geschaffen, wir haben alle Anteil daran, dass es solche Schulen im städtischen Raum gibt.

Nur wenn die Herausforderungen von vielen angegangen werden, kann dieses System durchbrochen werden. Eine Schule alleine, ein paar LehrerInnen alleine, ein paar Direktorinnen und Direktoren alleine… können dieses systemisches Versagen nicht alleine schultern und für dieses Versagen auch noch geradestehen.